Wenn jemand meine Freunde fragt, für was ich mich interessiere, werden die meisten vermutlich zuallererst mein Interesse für Politik erwähnen und das ist auch nicht falsch. Einige meiner Freunde nennen mich auch scherzhaft ,,der Politiker”, wenn ich etwas nicht in Jugendsprache, sondern besonders altbacken formuliere.
Die Freunde, die mich wirklich gut kennen und ich selbst würden aber noch viel mehr Hobbys und Interessen von mir erwähnen, Politik ist längst nicht das einzige, für was ich mich interessiere.
Immer wieder können Menschen auch nicht viel mit der Antwort ,,Ich interessiere mich für Politik” anfangen, entweder, weil sie nicht viel Ahnung davon haben, das Thema langweilig finden oder Vorurteile gegenüber dem Thema und Politikern haben.
Ich kann es mir gut vorstellen ehrenamtlich oder als Berufspolitiker etwas in meiner Region oder sogar in diesem Land zu verändern. Und sollte ich es schaffen was zu bewegen, dann natürlich zum Guten oder Besseren. Besonders wichtig ist mir dabei, dass es in Zukunft in Deutschland für alle Menschen (vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen, also weniger Geld) gerechter zu geht. Dass es in Deutschland zum Beispiel nicht mehr normal ist und hingenommen wird, dass so viele Frauen unter Prostitution leiden.
Genau deshalb bin ich im Oktober 2023 nach Berlin gefahren und habe beim Planspiel der SPD- Bundestagsfraktion mitgemacht. Dort durfte ich mit über 70 anderen Jugendlichen und jungen Menschen miterleben, wie es ist, Berufspolitiker zu sein und für 3 Tage in die Rolle eines Abgeordneten, so nennt man Politiker im Bundestag, schlüpfen.
Ich durfte zwar leider nicht, im Plenarsaal, dem Saal, in dem der große Bundesadler hängt und in dem die Abgeordneten immer diskutieren, auf einem der blauen Stühle sitzen, aber dafür die Arbeit die Abgeordnete sonst so haben, kennenlernen. Das erwartet man zwar nicht, aber wenn man Politiker ist und in Deutschland im Bundestag oder einem Landtag als Abgeordneter arbeitet, gibt es viel mehr zu tun als nur mit den anderen Abgeordneten im Fernsehen zu diskutieren. Die wichtigste Arbeit im Bundestag findet hinter den Kulissen in Ausschüssen und Arbeitsgruppen statt.
Im Grundgesetz ist zwar geregelt, dass jeder Abgeordnete selbst entscheiden kann, wie er abstimmt und seine persönliche Meinung sagen darf, aber damit Gesetze beschlossen werden können, braucht man Mehrheiten und die kommen nur zu Stande, wenn genug Abgeordnete dieselbe oder eine ähnliche Meinung haben und dem Gesetz zustimmen. Logischerweise haben in einer Partei viele Menschen die gleiche Meinung und deshalb schließen sich Abgeordnete im Bundestag die Mitglieder derselben Partei sind, auch einer gemeinsamen Gruppe an und diese Gruppe nennt man Fraktion. Gemeinsam mit den anderen Jugendlichen des Planspiels war ich in den drei Tagen in Berlin in einer gemeinsamen Fraktion im Bundestag (die es in Echt natürlich gar nicht gibt, denn wir sind zu jung und niemand hat uns gewählt). Genau wie bei den echten Fraktionen im Bundestag, haben wir uns als Fraktion zu einer Sitzung getroffen und einen Fraktionsvorsitzenden, der die gemeinsamen Sitzungen leitet und den Überblick behält, wer welche Meinung vertritt und wer an welchem Thema arbeitet, gewählt.
Nicht jeder Abgeordnete kann nämlich alles im Bundestag machen. Manche Abgeordnete sitzen im Ausschuss und der Arbeitsgruppe für das Thema Klimaschutz. Andere für das Thema Verkehr oder Digitalisierung.
Als klar war, wer bei uns welches Thema übernimmt, haben wir uns in unseren Arbeitsgruppen getroffen. Ich wäre sehr gern in der Arbeitsgruppe, die für die Themen Ernährung und Landwirtschaft zuständig ist, gesessen, da dort auch über Tierschutz gesprochen und diskutiert wird und es mir sehr wichtig ist, dass in Zukunft weniger Tiere für unsere Nahrung leiden und geschlachtet werden müssen.
Dafür durfte ich in der AG für Menschenrechte sitzen. Auch dort haben wir erst jemanden gewählt, die die AG Sitzungen leitet. Danach hatten wir gleich viele Ideen über was wir einen Antrag schreiben können. Eine AG schreibt Anträge, das sind Forderungen, um diese erst in der Fraktion und wenn die Mehrheit in der Fraktion damit einverstanden ist, im Bundestag zu diskutieren. Wir hätten gerne Forderungen gestellt, Geflüchteten die nach Deutschland kommen, besser zu helfen, aber die (echte) SPD- Fraktion wollte, dass unsere Forderungen etwas mit dem Klimawandel zu tun haben. Also haben wir als AG gefordert, dass Geflüchtete, die in Zukunft wegen den Folgen des Klimawandels fliehen müssen, zu uns nach Deutschland kommen können. Meiner Meinung nach müssen wir in Deutschland trotzdem aufpassen, dass wir den vielen Menschen, die hier herkommen helfen können, ohne, dass Leute zum Beispiel ihre Wohnungen verlieren, um Platz für Geflüchtete zu machen.
Es gab insgesamt fünf AGs: eine für das Thema Recht, eine weitere für Digitales, für das Thema Ernährung und Landwirtschaft, eine für das Thema Menschenrechte und eine für den Themenbereich Verkehr. Nachdem alle in ihren AGs sehr, sehr viel diskutiert haben, was genau unsere Forderungen eigentlich sind und wie wir sie in den Anträgen formulieren wollen, durften wir sie den echten Abgeordneten der SPD- Bundestagsfraktion vorstellen und haben danach in unserer eigenen Fraktion nochmal alle zusammen über die Vorschläge und Forderungen der AGs diskutiert und abgestimmt. Für vier Anträge gab es eine Mehrheit, der fünfte wurde von den meisten unserer Fraktion leider abgelehnt. Alle fünf Anträge werden aber der SPD- Fraktion gezeigt und die echten Abgeordneten werden sich mit unseren Forderungen auseinandersetzen und vielleicht ja selbst darüber in einer Sitzung diskutieren.
Zwischendurch gab es viele Momente, in denen ich mit den anderen Jugendlichen nicht über Politik, sondern ganz andere Themen geredet habe und wir uns untereinander kennlernen konnten. Sowohl mit Adrian, mit dem ich ein Hotelzimmer teilte, als auch mit dem Abgeordneten Lars Castellucci der SPD, den ich getroffen habe und der hier ganz in der Nähe in Wiesloch lebt, habe ich auch über den christlichen Glauben und über den Umgang mit Homosexualität in der Kirche diskutiert und gesprochen. Meist sind das sehr emotionale Themen, über die man leider nicht mit allen in Ruhe reden kann, aber genau wie bei vielen anderen Themen war das beim Planspiel anders, wir haben die Meinung der anderen Person respektiert und waren trotzdem überzeugt vom eigenen Standpunkt.
Eines meiner Highlights war, dass ich die Vizepräsidentin des Bundestages Aydan Özoguz getroffen und zweimal kurz mit ihr geredet habe. Ich werde aber nie die vielen netten und tollen engagierten jungen Menschen vergessen, die ich kennenlernen durfte und die ,,ganz normalen„ Gespräche, die ich mit ihnen geführt habe.
(In letzter Zeit habe ich mal darauf geachtet, an welchen Stellen mir das Thema Menschenrechte so im Alltag begegnet. Auf ,,Open Doors”, eine christliche Organisation, welche verfolgten Christen auf der ganzen Welt hilft, bin ich dabei besonders oft gestoßen. Noch engagiere ich mich dort nicht, halte bei diesem wichtigen Thema aber auf jeden Fall die Augen offen, möchte noch tiefer einsteigen und kann nur jedem empfehlen, sich da auch mal zu informieren.)
Politik ist auf jeden Fall nicht langweilig, im Gegenteil sie kann Spaß machen und etwas für die Menschen in Deutschland und auf der Welt verändern und bewegen.